Migration ist immer auch eine ‘Abstimmung mit den Füssen.’
In der Nacht vom Freitag, den 4. September zu Samstag, den 5. September 2015 öffnete sich die Grenze zwischen Ungarn und Österreich für mehrere tausend Menschen auf der Flucht, die sich zu Fuss vom Bahnhof Keleti in Budapest auf den Weg Richtung Grenze gemacht hatten. Ein Ereigniss das als March of hope in die Geschichte eingegangen ist und der Beginn des Sommers der Migration markiert. In den folgenden Monaten konnten über einen mehr oder weniger sicheren Fluchtkorridor hunderttausende Menschen aus Kriegs- und Kriesengebieten, wie Syrien oder Afghanistan, von der türkisch-griechischen Grenze bis nach Zentral- und Nordeuropa fliehen. Die Mauern der viel beschworenen ‘Festung Europa’ hatte für einen Moment sichtbare Risse bekommen. Aus diesem Anlass möchten wir zurückblicken.
Die folgende Reportage von The Guardian dokumentiert die Ereignisse vom 4. und 5.9.2015 eindrücklich. (Auf Englisch): Video ansehen
Einen zeitlichen Rückblick über die Entwicklungen, wie es zum March of hope kam und wie sich in den folgenden Wochen die Dynamik der Migrationsbewegungen einerseits und die Versuche des europäischen Grenzregimes die Kontrolle über die Situation wiederzuerlangen, gestaltet haben, dokumentiert zum einen ein Zeitstrahl vom Projekt bordermonitoring.eu als auch das Netzwerk moving europe mit einem geschichtlichen Abriss.
Doch die Hoffnung auf legale Fluchtwege, ein Umdenken innhalb euroäischer Flüchtlingspoltik sollte nur kurz Bestand haben. Die vergangenen Jahre waren mehr geprägt von einer weiteren Aushölung des Asylrechts, die populistischen Forderung nach mehr Abschiebungen wurde bedient, mehr Elendslager an Europas Grenzen wurden errichtet, die zivile Seenotrettung wurde kriminalisiert, und es wurden neue schmutzige Deals mit Autokraten eingefädelt, die uns in Europa das Elend der Welt vom Hals halten sollen. Für die Menschen auf der Suche nach einem Leben in Frieden und Sicherheit bedeutet das: mehr Gefahr, Leid und Tod.
Der March of Hope hat aber auch demonstriert, dass die Überwindung der Grenzen möglich ist. Der Sommer der Migration hat gezeigt, dass ein offenes, solidarisches Europa vorstellbar wird. An diese Erfahrungen erinnert das Netzwerk We’ll Come United und ruft für diese Tage zu bundesweiten Aktionen auf.
Doch die Grenzen sind wieder dicht und so verharren tausende Menschen weiterhin in Elendcamps insbesonderer an und vor den europäischen Aussengrenzen. Mit der Corona-Pandemie haben sich die Zustände für Schutzsuchende noch einmal zugespitzt. Die Forderungen des Offenen Briefes “Aufnehmen statt sterben lassen!”, von einem breiten Bündnis im März 2020 verfasst, sind ein halbes Jahr später genauso dringlich und aktuell und sollen hier nochmal benannt sein:
- Die sofortige Evakuierung aller Migrant_innen von den griechischen Inseln und aus allen überfüllten Lagersituationen
- Effektive Schutzmaßnahmen gegen den Corona-Virus für Migrant_innen
- Den sofortigen Stopp der staatlichen Gewalt und der Ermordung von Migrant_innen an den Außengrenzen
- Die sofortige Beendigung des EU-Türkei Deals
- Eine aktive EU-Politik um die gewaltsame Vertreibung von Millionen von Menschen in Syrien zu beenden
- Die Wiederherstellung des Asylrechts, rechtsstaatlicher Asylverfahren und die Demilitarisierung der Außengrenze
- Die Einhaltung geltender Völker-, Menschen- und Europarechtlicher Vorgaben beim Umgang mit den ankommenden Menschen
- Die Aufnahme der Menschen in den solidarischen Städten,
- Eine europäische Politik, die selbst nicht andauernd Fluchtursachen produziert.