Wanderung der Ausstellung „yallah!? Über die Balkanroute“ beendet

Wanderung der Ausstellung „yallah!? Über die Balkanroute“ beendet

Januar 2022

Nach rund fünfjähriger Projektzeit beenden wir offiziell die Wanderung der Ausstellung „yallah!? Über die Balkanroute“.

Von Sommer 2016 bis Ende 2021 haben wir uns intensiv mit den Ereignissen des „langen Sommers der Migration“ beschäftigt. Davon war zwei Jahre lang die Ausstellung im vor allem deutschsprachigen Raum unterwegs. Mit dem Beginn der Pandemie 2020 haben wir die Wanderung früher als geplant beenden. Seit Ende 2021 ist die Ausstellung und die ihr zugrunde liegenden Sammlung an Audio-, Video- und Fotoaufnahmen im DOMID e.V. archiviert.

Worum ging es in der Ausstellung?

Die Ausstellung „yallah!?“ hat die Öffnung eines Korridors durch Süd-Osteuropa (über die sogenante Balkanroute) als relevantes politisches und historisches Ereignis festgehalten und aufgearbeitet. Im Mittelpunkt der Ausstellung standen die Perspektiven von Geflüchteten, die diesen Korridor geöffnet hatten. So hat die Ausstellung die Geschichte des langen Sommers der Migration in vier Kapiteln von der Grenzöffnung über die Etablierung des Korridors bis hin zur Grenzschließung und dem Stand der politischen Forderungen und Kämpfe nach 2016 erzählt. Die Ausstellung hat dabei vor allem ausgearbeitet, welche Widersprüche, Ambivalenzen, Ausschlüsse und politischen Taktiken die Kämpfe um den Korridor begleitet haben.

Was bleibt ist die Erinnerung an eine Zeit des langen Sommers der Migration 2015, in dem tausende Geflüchtete für eine kurze Zeit die Grenzen Europas nieder rissen und damit ein Möglichkeitsfenster für eine andere Gesellschaft aufgestoßen haben. Diese Zeit steht auch heute noch symbolisch dafür, dass ein Europa der offenen Grenzen und der Solidarität gegen den seit dem folgenden Konsens aus neoliberalem und nationalen, konservativen und rassistischen Backlash in Deutschland und Europa erstritten werden muss. Auch wenn yallah!? zu Ende geht, sind wir alle weiterhin in verschiedensten Projekten weiter in Kämpfe für diese Welt der offenen Grenzen, der Solidarität und gegen neoliberale sowie rechte Projekte beteiligt.

Rückblick und ein wenig Statistik

Rund eineinhalb Jahre haben wir als Gruppe für die Planung, die Konzeption und letztlich die Realisierung von „yallah!?“ gebraucht bis wir sie im November 2017 erstmalig in Göttingen eröffnen konnten. Der monatelange Entstehungsprozess war für uns einerseits durch die intensive Zusammenarbeit geprägt, aber auch vor allem durch die Reflexion und Verarbeitung der Ereignisse und des Erlebten. Nach der ersten Station in Göttingen wurde die Ausstellung bis Ende Oktober 2019 fast durchgängig an 22 verschiedenen Orten in Deutschland, Österreich und Italien gezeigt. Leider sind verschiedene weitere Termine im Jahr 2020 auf Grund der Corona Pandemie ausgefallen, im Jahr 2021 konnte y!? noch einmal in Hamburg in einer online Variante umgesetzt werden.

Die Ausstellung wurde insgesamt 68 Wochen, also 476 Tage lang gezeigt. Dabei wurde sie von insgesamt knapp 70 Veranstaltungen begleitet, hinzu kommen verschiedenste Führungen an unterschiedlichen Orten. Die Zahl der Besucher*innen schätzen wir auf Grundlage der lokalen Zählungen auf 6000 bis 9000 Menschen.

Die Ausstellung wurde von verschiedenen Gruppen und Kontexten organisiert und konnte an vielen Orten auch verschiedenste Netzwerke zusammenbringen: Das Spektrum reicht von Antira-aktivistischen Gruppen und Willkommensinitiativen über Kunsträume, Autonome Zentren, studentische und universitäre Zusammenhänge, Eine-Welt-Gruppen und Gewerkschaften bis hin zu NGOs und Stiftungen, wie medico international und der Rosa-Luxemburg Stiftung, paritätische Vereine, wie die Caritas, städtischen Integrationsbeauftragten, auch mit konservativen Parteimitgliedschaften bis hin zu einem christlichen Krankenhaus.

y!? digital und archiviert

Wer sich weiterhin für die Inhalte und Materialien der Ausstellung interessiert kann sich an das Dokumentationszentrum und Museum über die Migration in Deutschland e.V. (DOMiD) wenden, die unsere Videos, Fotos, Zeichnungen und Audiostatements 2021 in ihr Archiv übernommen haben.

Die Ausstellungstafeln sind als pdf abrufbar und dürfen, wenn die Herkunft angegeben wird, für unkommerzielle Zwecke unverändert verwendet und weitergegeben werden. (CC BY-NC-ND)

Auch der von Marc Speer / bordermonitoring.eu erstellte interaktive Zeitstrahl „Der lange Sommer der Migration auf dem Balkan“ mit verschiedenen Videos ist weiterhin online zu finden.

Unseren Begleitkatalog in Form einer Zeitung und ein Statement zur Situation in Deutschland im Sommer 2018 findet ihr weiterhin auf unserer Homepage. Hinzu kommen verschiedene Radio-Beiträge von und über unsere Ausstellung, die unter Presse zu finden sind.

Als Kontakt in das Ausstellungsteam steht Svenja Schurade weiterhin zur Verfügung.


Unser besonderer Dank geht an

alle Beteiligte Künstler_innen, Filmemacher_innen und Fotograf_innen:

Afrique-europe-interact, Tarek Alfelou, Mayada Alkayal, Joost van Beek, Esat Behrami, Felix Böhmer, John Domokos / The Guardian, Kenan Emini, Oliver Feldhaus, Markus Fiedler / Reziprok-Film / fcmc, Fish in Water Films, Mikkel Hansen, Danillies Hernandez / Women in Exile, Watheq Fayyadh Khazaal, Luise Marbach, Ekvidi Photogaphy, R O M A D N E S S – Strange Movies Production, Iman Shaaban, Allegra Schneider, Marc Speer, Majid Sraywell, Salinia Stroux, Soli-Konvoi Halle-Leipzig

all die vielen Gesprächs- und Interviewpartner_innen,
Menschen, die Materialien von ihrer Flucht beigesteuert haben, zahlreiche Übersetzer_innen, unsere Lektor_innen, viele Freund_innen und Gefährt_innen für gemeinsame Diskussionen und ihr Feedback, alle Beteiligten im Lehrforschungsprojekt 16/17 “Flüchtlinge in Göttingen – eine ethnographische Erforschung von Aufnahmepolitiken und Lebensumständen” am Institut für Kulturanthropologie/Europäische Ethnologie der Georg-August Universität Göttingen, dem Labor für kritische Migrations- und Grenzregimeforschung, viele weitere Menschen, die uns infrastrukturell unterstützt haben.

Ohne die Unterstützung von vielen weiteren Personen wäre die Ausstellung nicht realisiert worden!

 

Kuration und Realisierung

Wesam Alfarawti
Mira Lou Braun
Petja Dimitrova
Luise, Marbach
Nils Nadrowski
Svenja Schurade
Jörg Sidow, mbv-potsdam.de
Franziska Stübgen